Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.
So leicht könnte es sein! Aber ist es das noch? Wie geht gehen?Eigentlich eine absurde Frage für ein Lebewesen, das im Laufe seiner Evolution für das Gehen optimiert wurde: Der Mensch. Der Gebrauch bestimmt die Funktionalität. Was im Sinne der Evolution nicht hinreichend verwendet wird, degeneriert. Eine weitere, meines Erachtens massiv unterschätzte Komponente ist das Schuhwerk. In meinem „nur“ 14tägigen Barfuss-Experiment (siehe "mein barfussweg") habe ich deutlich die Beschränkungen von Schuhen auf das Gehen wahrnehmen können. |
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Schuhe verändern unseren Gang.Die Sicherheit einer auch noch so dünnen Sohle unter dem Fuss macht etwas mit uns. Und so haben wir unseren ursprünglichen leichtfüssigen, grazilen Gang einer Gazelle verändert, hin zu einem schwerfälligen, hin und her schwankenden Tanker. Gehen wird als anstrengend empfunden. Knie- und Hüftgelenke sind fest und schmerzen. Der Fuss bildet zusammen mit dem Unterschenkel eine zementierte Einheit, die Fussgelenke sind unbeweglich. Und eine weitere, von uns selbst gewählte Komponente möchte ich anführen: die Kleidung.Insbesondere die Beinkleidung der westlichen Industriestaaten lässt einen freien, natürlichen Gang nicht geschehen. An den anatomisch absurdesten Stellen, einen „Modetrend“ generierend, den „Bein-Schritt“ hingeschneidert und die Hüfthöhe ins Lächerliche dezimiert. Die freigelegte Arschfalte lacht dir bei dem nach vorn geneigten Menschen entgegen. Ich rate zu einem Experiment: wickle dir ein Stück Stretch-Stoff um die Finger der einen Hand, so fest, wie der Stoff um deine Beine anliegt. Nun den ganzen Tag die Finger gegen den Stoff bewegen lassen. Blöd? Ja. Ein zu enger Handschuh erfüllt den gleichen Zweck: er legt die Finger lahm. Gelenke bewegen sich nicht frei gegen einen auch noch so geringen Widerstand.Und so kommen wir ins TUN. Wir heben beim Gehen das Bein an, gegen den Widerstand der Hose am Bein und im Hüft- und Kniegelenk. Und da nimmt das Übel „seinen Lauf“. Was also ist zu tun? Nun, in der Alexander-Technik-Welt ist „loslassen“ das Prinzip der Wahl. Sich nicht einmischen in die angeborenen Reflex-Systeme. Sich von den Knochen tragen lassen. „Es“ gehen lassen. Aber vor allem: die falschen Vorstellungen vom Gehen durch begünstigende Bilder ersetzen.Welche Vorstellungen hast Du vom Gehen? Darf es leicht sein? Beschwingt? Ein Sprint jederzeit locker möglich?
StrichmännchenÜber die folgende Bildersequenz habe ich „Schritt für Schritt“ vergleichend aufgezeigt, wie Gehen günstig, aber auch ungünstig für den Organismus erfolgen kann. Natürlich ist ein so komplexer, dynamischer Ablauf wie Gehen nicht umfassend über Zeichnungen darstellbar. Die Bewegungen des Rumpfes und der Arme habe ich zwecks Vereinfachung aussen vor gelassen, wohlwissend, dass sie natürlich zum Gehen dazugehören. |
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Die Kennzeichnungen sind:
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Ich habe die Schrittfolge mit Nummern versehen, sodass eine gute Vergleichbarkeit "Gewohnheit" - "mit Alexander-Technik" möglich ist. Die beiden Kommentarfelder rechts sollen das Wesentliche herausstellen und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. |
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Dieser Artikel ist nicht leicht verdaulich. Die einzelnen Bilder müssen sorgfältig analysiert und verglichen werden, um die Logik dahinter zu verstehen. Das benötigt Zeit und viel Interesse. Lass es auf dich wirken. Nimm dasjenige für deine Entwicklung des Gehens hinzu, das sich hervortut, sei es durch wachsendes Verständnis oder aber durch grössten Widerstand.
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Orientierung der Schritte | aus ungünstiger Gewohnheit | mit Alexander-Technik |
Schrittfolgen seitlich gesehen |
Am Anfang stehend, beide Beine parallel nebeneinander |
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Gewohnheit Keine gedankliche Vorbereitung Vom Stehen in Ruhe zum ersten Schritt wird die Orientierung des Rumpfes nicht verändert (0) |
mit Alexander-Technik Gedankliche Absicht Gehen zu wollen. Loslassen in BEIDEN Fussgelenken: der gesamte Körper neigt sich, der Schwerkraft folgend, nach vorn und erzeugt aufgrund des schweren Kopfes und der grösseren Masse auf unserer Vorderseite bereits „von allein“ Vortrieb (0,5) |
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Schrittfolge von vorn | Seitliches Ausbrechen des Rumpfes vor dem ersten Schritt |
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Gewohnheit Um den ersten Schritt mit dem linken Bein (grau) „tun“ zu können, wird das Gewicht des Rumpfes auf das rechte Bein (schwarz gestrichelt) verlagert, indem das Becken nach rechts ausbricht. Statt nach vorn zu gehen ist die erste Bewegung seitlich verschoben. Diese seitliche Verlagerung ist überflüssig, wird mit jedem Schritt kompensiert und führt zu Verspannungen. |
mit Alexander-Technik Durch das Zulassen von Länge im gesamten Körper und das primäre Loslassen der Fussgelenke wird der Mensch nach vorn in Gehrichtung geneigt. Das Becken ruht stabil auf dem tragenden Bein (schwarz gestrichelt), dadurch kann das andere Bein frei nach vorn fallen. Eine aufwendige Kompensation einer Bewegung zur Seite entfällt. |
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Schrittfolgen seitlich gesehen (Forts.) | 1. Schritt: Linkes vorderes Bein (grau) hebt ab |
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Gewohnheit Das linke Bein (grau) wird aktiv mittels des Oberschenkels angehoben. Knie- und Fussgelenk fest, die Zehen werden angezogen (1+2). Die Aufmerksamkeit ist auf das linke, vordere Bein gerichtet |
mit Alexander-Technik Das linke Bein fällt reflexartig der Schwerkraft folgend, frei nach vorn, um den Kopf/Rumpf vor dem Hinfallen zu schützen. |
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1. Schritt (Forts.): Rechtes hinteres Bein (schwarz gestrichelt), das stehengebliebene Bein |
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Gewohnheit Der rechte Vorderfuss ist am Boden, die Ferse jedoch verliert zu früh den Bodenkontakt (2,5). Dadurch knickt das Bein im Kniegelenk ein und die gesamte Gestalt „bricht ein (kollabiert)“. Es existiert kein „tragendes“ Bein |
mit Alexander-Technik Die Aufmerksamkeit ist auf das hintere rechte Bein gerichtet. (Das „Schieben von hinten“ ist gut zu beobachten bei einem gehenden Pferd von hinten) |
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Schritt (Forts.) Linkes vorderes Bein (grau) landet |
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Gewohnheit Die Ferse (links) setzt zuerst auf, die Zehen sind hochgezogen. Das Knie wird zu früh durchgestreckt, sodass das gesamte Körpergewicht auf dieses Bein fällt. Eine harte Landung. Eine (Ausweich)Reaktion ist nicht möglich. Die Vorwärtsbewegung wird durch das vor dem Rumpf gestreckte Bein abgebremst. |
mit Alexander-Technik Der Fuss landet weich auf dem Vorfuss oder auf dem gesamten Fuss. Diese Position entspricht in etwa der Fechtstellung. |
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Überwechsel auf den nächsten Schritt: |
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Gewohnheit Der durch das linke, gestreckte Bein (grau) abgebremste Körper muss für den folgenden Schritt „Schwung“ holen, um das rechte Bein (schwarz gestrichelt) nach vorn zu bringen. Hierzu werden, meist unbemerkt, unterschiedliche Körperteile wie Kopf, Schultern, Arme oder Hüften „zu Hilfe“ genommen. |
mit Alexander-Technik Das linke, unter dem Rumpf (3) befindliche Bein (grau) streckt sich lang (4). Dadurch wird das rechte Bein (schwarz gestrichelt) sofort freigestellt und kann, bei freien Hüftgelenken, mit dem Knie voran nach vorn fallen – folgend der „nach vorn fallenden“ Bewegung des Menschen. |
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Gegenüberstellung hier horizontal |
Der wesentliche Unterschied nocheinmal verdeutlicht: |
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Gewohnheit 1. Transport des Rumpfes Der Rumpf bleibt eher nach hinten orientiert, das Becken (grünes Oval) ist vorgeschoben. Das nach vorn raumgreifend ausholende, vordere linke Bein nimmt den Rumpf (im Schlepptau) mit (roter Pfeil).
2. Orientierung der Beine vorderes Bein: durchgestreckt mit blockiertem Kniegelenk hinteres Bein: gebeugt |
mit Alexander-Technik 1. Transport des Rumpfes Der Kopf führt die Bewegung an. Der Rumpf bleibt in Verlängerung des hinteren Beines leicht in Gehrichtung geneigt. Das Becken bleibt hinten (grünes Oval) und ruht auf dem tragenden Bein. Der Rumpf wird vom HINTEREN Bein voran „geschoben“ (gelber Pfeil).
2. Orientierung der Beine vorderes Bein: (leicht) gebeugt, bzw. das Kniegelenk frei hinteres Bein: lang Die Beine sind vergleichbar der „Fechtstellung“ angeordnet |
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All dies kann allerdings nur in einem „Nicht Tun“ durch Loslassen und „nicht einmischen“gewonnen werden! Wir müssen uns nicht darum kümmern, WIE gehen geht. Das ist ein reflexartiger Vorgang – wir müssen uns nur nicht stören. Um herauszufinden, wie stark du dich einmischt in dein natürliches Gehen, ist Achtsamkeit gefragt und eine generell neue Sichtweise zur Wirkung und Hilfe der Schwerkraft in Bezug auf alle unsere Bewegungen im Raum. |
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Die meinerseits gewählte Vereinfachung des Gehens soll folgendes verdeutlichen:
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Eine sequenzielle Anleitung: "Anweisungen für das Gehen"An diese Hilfen kann ich denken, wenn ich spazieren gehe, wandere, jogge
Wo noch - scheine ich - etwas leichter? |
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Wenn eine bewusste oder unbewusste Angst vor dem Stürzen vorhanden ist (siehe auch meinen Artikel Angst vor dem Stürzen im Alter), wird sie sich automatisch auf die Balance und somit auf die gesamte Koordination der Bewegung auswirken. Bevor nicht diese Angst gehen darf, ist an ein natürliches Gehen nicht zu denken (schönes Wortspiel!).
Dieses von mir erarbeitete Schema von „Wie geht gehen mit Alexander-Technik?“habe ich natürlich nicht nur in Eigenregie ermittelt! Es ist eine Quintessenz aus meiner Arbeit mit diesen KollegInnen und den folgenden Quellen:
Lass uns beginnen! |