Über die Erde
sollst du barfuß gehen.
Zieh die Schuhe aus,
Schuhe machen dich blind.
Kannst doch den Weg
mit deinen Zehen sehen.
...
Sollst mit deinen Sohlen
die Steine berühren,
mit ganz nackter Haut.
Dann wirst du bald spüren,
dass dir die Erde vertraut.
Spür das nasse Gras
unter deinen Füßen
und den trockenen Staub.
Lass dir vom Moos
die Sohlen streicheln und küssen
und fühl
das Knistern im Laub.
...
Leg deine Wange an die Erde,
riech ihren Duft und spür, wie aufsteigt aus ihr
eine ganz große Ruh.
Und dann ist die Erde
ganz nah bei dir
und du weißt:
Du bist ein Teil von allem
und gehörst dazu.
(nach Martin Auer)
14 Tage barfuss - ein kurzes Leben in 3DIch mache Sommerurlaub auf einer kleinen, holländischen Nordseeinsel und ergreife die Gelegenheit, 14 Tage barfuss zu gehen - ausschliesslich. Ich bin erstaunt. Ich wohne auf einem Schiff im Jachthaven. Die alltäglichen Dinge, wie Duschen, zur Toilette gehen oder Trinkwasser holen, sind mit einem Gang zu den Waschräumen verbunden. Mehrfach am Tag gehe ich also 600m über Kunststoff-Stege, Klinkerwege und Fliesenböden hin und zurück. Zu Fuss ins DorfMindestens einmal am Tag wandere ich ins Dorf. Hin 1,2km durch den Wald auf Waldboden-Wegen, häufig dick gepolstert mit langen, spitzen Fichtennadeln und mächtigen Tannenzapfen. Der Waldboden in Schattenlage ist kühl und weich. Wenn an Wegkreuzungen die Beschattung der Bäume fehlt, wird es direkt unangenehm warm, hart und pieksig unter der Fusssohle. |
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Barfuss auch im Dunkeln?Es trug sich zu, dass ich am 8. Tag meines Experiments erst spät vom Dorf zurück zum Schiff ging. Der Weg am Watt entlang hat keinerlei Beleuchtung. Ich hatte meine Treckingsandalen eines bekannten Herstellers mit Wolfstatze mitgenommen und, als die letzte Strassenlaterne hinter mir lag, auch angezogen. Sofort waren die alten Gewohnheiten eines „Fusses mit Schuh“ präsent, sowohl am Fuss selbst als auch beim Gehen. Am nächsten Morgen habe ich Fussschmerzen. Der Spann und der ganze Vorderfuss sind unangenehm hart und schmerzen. Das legt sich zum Glück bei der ersten Wanderung des Tages. Ich messe dem Vorfall keine weitere Bedeutung bei. Zwei Tage später – gleiches Spiel. Wieder trage ich meine Sandalen für den nachtschwarzen Weg zum Jachthafen. Wieder habe ich Fussschmerzen am Morgen danach. Jetzt mache ich mir Gedanken! Kann es sein, dass das doch so kurze Tragen der Sandalen meinen Fuss bereits derart stark in Mitleidenschaft zieht? Beim nächsten Mal verzichte ich auch im Dunkeln auf Schuhwerk! Und siehe da, „es läuft“ sich besser und fliessender als bei Tageslicht, trotz Muschelsplittern. Und am nächsten Morgen – keinerlei Fussprobleme! 10km StrandwanderungHier am Strand bin ich keine Aussenseiterin mit meinen blossen Füssen. Ich nutze den wunderbar sanften Grund und achte vermehrt auf meine Beinbewegungen. Woher nehme ich den Vortrieb? Kann ich beide Beine beim Schreiten unter meinem Rumpf lassen? Sind meine Fussgelenke frei beweglich? Kann ich es lassen mich einzumischen, wie der Fuss aufsetzen möchte? Welchen Fussabdruck hinterlässt welche Art zu gehen? Ich experimentiere fortdauernd. 3h Inselwanderung – Futter für den Geist! Und das kam so: Bei der Inselwanderung war die Varianz an Untergründen, die ich auf blossen Sohlen zu bewältigen hatte, enorm: trocken oder feucht, warm oder kühl, hart oder weich, nachgiebig oder widerborstig. Pflastersteine auf Strassen, Splitt oder Muschelsplitt auf Gehwegen, Sand in allen Sorten und Lagen, Wiese in der Sonne und im Schatten, Waldboden unterschiedlicher Baumarten, … Aspekte, die ich sonst „nur“ mit meinem Intellekt erfasse, wie z.B., dass ein Mischwald einen anderen Boden erzeugt als ein reiner Kiefernwald - barfuss ist das direkt erlebbar. Eine Erfahrung in 3D.Zwischen den Waldgebieten und den Dünenketten am Meer liegt eine sanfte, sonnenbeschienene Hügellandschaft mit kurzem, struppigem und häufig dornigem Bewuchs auf ausgetrocknetem, hartem Boden. Mit jedem Schritt droht Ungemach. Diese ungewissen (und potentiell schmerzhaften) Situationen zwangen mich zu fortwährender Präsenz und Achtsamkeit. Das gern zugelassene „mind wandering“, d.h. den Geist schweifen zu lassen und vom körperlichen Geschehen im Hier und Jetzt abzukoppeln, war nicht möglich. Ganz im Sinne der ZEN-Weisheit: „wenn Du gehst, dann gehst Du; wenn Du isst, dann isst Du; wenn Du schläfst, dann schläfst Du“. Diese für mich ungewohnte, geistige (Dauer-)Wachheit hat mich bis zum Ende der Wanderung völlig ermattet. Fazit 14 Tage barfussIch habe mich nicht verletzt, keine Schnittwunden, Blasen, Druckstellen o.ä. zugezogen! Meine Fusssohlen haben sich schnell und effektiv angepasst. Meine Füsse haben sich in dieser kurzen Zeitspanne sehr verändert. Die Zehen haben sich, nach einer Periode von scheinbarem Stillstand, wiederum deutlich sichtbar gelängt, siehe das update im August 2019. Der Fussrücken sieht stark und dynamisch aus. Wunderbar und grandios. |